der universaldilettant

Geteilte Meinungen

Ist der Lockdown im November 2020 wirksam?

Ähnliches in:

Der Lockdown light vom November 2020 im Vergleich zum Lockdown im Frühling und in Frankreich.

Letzte Woche noch Rekorde, diese Woche rückläufige Zahlen im Wochenvergleich. Am 26.11. (-1762), 27.11. (-1936) und 28.11. (-1606) sanken die Zahlen im Vergleich zur Vorwoche also deutlich und bisher auch stabil ins Negative. Könnte das der Durchbruch sein? Leider eher nicht, denn wenn man die Zahlen im Verhältnis und nicht absolut betrachtet (absolute Zahlen sind nach wie vor ein schlechter Ratgeber [1]), stagniert der Lockdown light vor sich hin.

In der folgenden Graphik sieht man die ersten 34 Tage des deutschen Lockdowns im Frühling und die des Lockdowns im November in Frankreich und Deutschland. Verglichen wird immer die prozentuale Veränderung eines Tages zum gleichen Tag in der Vorwoche. So relativieren sich aktuelle Zahlen, wie „2000 Fälle weniger als in der Vorwoche“, denn das sind keine 10% von über 23.000 Fällen, also relativ wenig. Im April waren es in Deutschland in den ersten zwei Wochen auch zwischen 1000 und 2000 Fällen weniger als zur Vorwoche, doch die maximalen Inzidenzen lagen bei 6000 bis 7000, was immerhin bis zu 30% auf die Spitzenwerte bedeutet. Die Lockdowns in Frankreich und im Herbst waren deutlich effektiver.



Es ist zu sehen, dass die Werte des Lockdowns im Frühjahr (orange Linie) nach der 14-Tage Marke innerhalb einer Woche bis auf 50% herunter gingen. Ähnliches gilt für den Lockdown in Frankreich (blaue punktierte Linie), auch wenn es hier stärkere Ausreißer nach oben und unten gibt, wie zum Beispiel am Tag 15. Die Werte des November Lockdowns (rote Linie) pendeln sich um die 100% Marke ein und senken sich erst in den letzten Tagen etwas ab, was Stagnation bedeutet.

Der Lockdown in Frankreich und auch der im Frühjahr waren also effektiver als der Lockdown light. Ob sie auch effizient waren, also mit wenig Mitteln große Wirkung erzielt haben, kann bezweifelt werden. Das ist aber eher ein eigenes Thema.

Wie geht es jetzt weiter: Unsere Vermutung ist, dass Ende dieser Woche, die tägliche Sterberate einen neuen, traurigen Rekord erreichen wird, um in der Folge langsam abzuflachen. Ab dem 01. Dezember treten die verschärften Kontaktmaßnahmen und weitere Regelungen in Kraft. Die Auswirkungen werden sich erst ab Mitte Dezember zeigen. Dann wird es auch hier wieder ein Update geben.

Update 21/11: 23.913 Neuerkrankungen. Der Rekord von gestern ist heute schon gebrochen.

Ziemlich deutlich zeigt uns dieser Trend inzwischen, dass der Lockdown im November weniger effektiv ist, wie der im Frühjahr. Mit immer neuen Höchstwerten und positiven Zahlen im Vorwochenvergleich, drei Wochen nach dem Lockdown, werden die nächsten Tage zeigen müssen, ob noch ein Rückgang zu erwarten ist oder, wie sich derzeit andeutet, Stagnation auf sehr hohem Niveau. Sollte dies der Fall sein, reichen die bisherigen Maßnahmen nicht aus. Im Vorwochenvergleich wird dies sehr eindeutig sichtbar werden. Rutschen hier in den nächsten Tagen die Zahlen ins Negative, würde sich der Trend endlich wie gewünscht entwickeln. Pendeln die Zahlen, so wie in den letzten sieben Tagen (mit einer Ausnahme am 16. November [8]), haben wir Stagnation auf hohem Niveau. Ein weiterer Anstieg wäre angesichts der immer weniger freien Intensivbetten schlecht.

Aber, egal wie der Trend sich von jetzt an entwickelt, was die täglichen Todeszahlen angeht, wird vermutlich spätestens in zwei Wochen der bisherige Höchststand vom 17. November (345) übertroffen werden [7]. Denn die Todeszahlen in vierzehn Tagen sind der Spiegel der hohen Ansteckungszahl, die aktuell schon Realität ist.

Deshalb hier eine Empfehlung. Im Fischblog wird nicht nur super erklärt, warum die Fallzahlen weiter steigen, sondern auch, was man selbst dazu beitragen kann, dass das nicht so bleibt.

Update 20/11: 23.894 Neuerkrankungen. Es quietscht in der Kurve.

Das RKI meldet für den gestrigen Tag einen neuen Höchststand von 23.648 Neuerkrankungen. Bei ZEIT ONLINE sind es sogar 23.894. Im Frühjahr war der Höchststand der Neuerkrankungen bereits zehn Tage nach dem Lockdown am 02. April erreicht. Das, und auch, dass die Zahlen im Vorwochenvergleich im Herbst nach vierzehn Tagen nicht im negativen Bereich bleiben, sind Indizien dafür, dass sich die Lage im Herbst langsamer beruhigt als im Frühjahr. Es quietscht mehr in der Kurve, aber flacher wird sie trotzdem: Trotz Höchststand sind es nur 277 Fälle mehr, als in der Vorwoche (am 02. April lag die Differenz bei 960). Es ist gut möglich, dass wir gestern den absoluten Höchstwert gesehen haben.

Update 18/11: -550 neue Fälle im Vergleich zur Vorwoche, aber die Todesfallzahlen sind die zweithöchsten an einem Tag bisher. Schaut man auf die Zahlen im Frühjahr, könnte das trotzdem die Wende sein.

Nur am 15. April starben bisher noch mehr Menschen mit einer Covid-19 Erkrankung. Dieser traurige Rekord wird vermutlich nicht ungebrochen bleiben. Im Frühjahr stellte das Hoch am siebzehnten Tag des Lockdown jedoch den Wendepunkt dar. Elf Tage später, am 21. April sollten auch die Todesfälle im Vergleich zur Vorwoche ins Negative sinken:

Heute ist der siebzehnte Tag des Lockdown light. Würden die Welle in diesem Punkt absolut synchron zum Frühjahr verlaufen, wäre genau heute der Tag, an dem der Höhepunkt erreicht wäre und ab morgen sollten weniger Menschen an Covid-19 in Deutschland sterben. Man vergisst hinter den hohen Fallzahlen und den alltäglichen Einschränkungen des Lockdown leicht, was das eigentlich Wichtige ist. Hier die aktuellen Zahlen, als Differenz im Vergleich zur Vorwoche:

Update vom 17/11: Sprung auf -2039 im Vergleich zur Vorwoche.

Gestern machte die Zahl der Neuerkrankungen im Vergleich zur Vorwoche einen Sprung von -2039 aus. Im April gab es ebenfalls kurzeitig Rückgänge von über -2000 Fällen, aber erst nach etwa drei Wochen Lockdown. Angesichts der höheren Zahl an bekannten Neuerkrankungen im Herbst, sind frühere, höhere Werte im Negativbereich auch nötig und, sollten die Maßnahmen wirksam sein, auch zu erwarten. Quelle für die hier dargestellten Werte ist ZEIT ONLINE (ZON). ZON behauptet, dass ihre Erfassung weniger Anfällig für Probleme in der Meldekette ist. Die Daten des RKI, fallen geringer aus.

Update vom 15.11.: Genau wie im März fällt die Zahlenreihe pünktlich am vierzehnten Tag nach dem Lockdown ins Negative.

ZEIT ONLINE und RKI melden unterschiedliche Daten, welche sind zuverlässiger?

Im Tagesvergleich der Fallzahlen zur Vorwoche sinken die Zahlen um beinahe 800 Fälle ins Negative. Damit dreht sich der Trend pünktlich zwei Wochen nach dem Lockdown um, doch nur, wenn man den Zahlen von ZEIT ONLINE (ZON) folgt [6]. Läge der Datenreihe die Zahlen des RKI zugrunde, wären es heute etwa 900 Fälle mehr als letzten Sonntag. Da den hier gezeigten Graphiken schon im März, die von ZON erhobenen Daten zugrunde lagen, hat die getroffene Aussage Bestand, aber warum gibt es überhaupt unterschiedliche Zahlen?

ZON Schreibt dazu folgendes: „Die von ZEIT ONLINE erfassten Zahlen basieren auf den direkten Angaben der Landkreise. Sie sind weniger als die Statistiken des Robert Koch-Instituts von verzögerten Meldeketten betroffen und können daher von diesen abweichen.“ ZON nimmt dabei für sich in Anspruch, die genaueren Daten zu haben. Aber, egal für welchen Datenpool man sich entscheidet, auch die Daten des RKI sollten in den kommenden Tagen einen ähnlichen Verlauf nehmen, wenn die Maßnahmen des Lockdown wirksam sein sollten.

Dazu stellt sich die Frage, ob die Zahlen mit denen im März überhaupt vergleichbar sind. Zum Beispiel waren die absoluten Fallzahlen im Frühjahr viel geringer, dafür wird jetzt im Herbst vier mal so häufig getestet. Andererseits sind die Testpositivraten vergleichbar, was darauf hindeutet, dass auch im Herbst viele Fälle unerkannt bleiben. Im März/April wurden vierzehn Tage nach dem Lockdown 1144 Fälle weniger als in der Vorwoche gemeldet. Heute sind es nur knapp 800 weniger, aber die Gesamtzahl der Fälle ist viel höher. Bedeutet das, der Lockdown light war weniger wirksam als der im Frühjahr?

Die hier gezeigte Datenreihe bezieht sich auf sich selbst: Die Falldaten eines Tages werden mit demselben Tag der Vorwoche verglichen. Auch wenn die o.g. Grunddaten wenig zuverlässig wären, spiegeln sie sehr wahrscheinlich zumindest im Verhältnis das aktuelle Infektionsgeschehen ab. Deshalb bleibt die Aussage, dass der Lockdown Wirkung zeigt, richtig, vor allem wenn, in den folgenden Tagen die Daten im Minusbereich bleiben. Die Frage, ob der Lockdown light weniger effektiv als die Maßnahmen im Frühjahr sind, läßt sich mit der aktuellen Datenlage nicht ohne weiteres beantworten. Hier muss gewartet werden, ob es im weiteren Verlauf signifikante Abweichungen zum Frühjahr gibt, z.B. falls der Trend nicht dauerhaft negativ bleibt. Es bleibt also weiterhin spannend.

Update vom 14/11: Warum Spitzenwerte von über 23.000 Neuerkrankungen nicht unbedingt eine schlechte Nachricht sind.

Absolute Zahlen sind ein schlechter Ratgeber. Hans Rosling widmete dem Thema in seinem Bestseller „Factfulness“ ein ganzes Kapitel (Der Instinkt der Dimension) [1]

Aber, möchte man anmerken, in Bezug auf die Ausbreitung des Coronavirus sind die, aktuell mehr als 23.000 Neuerkrankungen am Tag eine immens hohe Zahl. Schon schreibt zum Beispiel DIE ZEIT: „Seit gut einer Woche ist Deutschland im Teil-Lockdown, aber die Infektionszahlen sind nach wie vor hoch. [2]“ Tatsache ist aber, dass, wenn nach einer Woche die Zahl der täglichen Neuinfektionen sinken würde, dies zwar wünschenswert wäre, aber höchst überraschend. Einen tatsächlichen Rückgang dürfen wir erst nach zwei Wochen erwarten. 

Entscheidend ist derzeit eher, wie schnell die Zahlen steigen und nicht so sehr, wie hoch sie sind. So ist der letzte Rekord mit 21.984 [3] vom 6.11 Neuerkrankungen schon eine Weile her. Zum Vergleich: In der Zeit vom 25.10 bis 30.10 brachte jeder Tag einen neuen Rekord. Die Verdoppelungszeit hat sich in der letzten Woche praktisch verdoppelt. Dabei spielt nicht nur der Lockdown eine Rolle, sondern vermutlich auch die Verschärfung der Hotspot Strategie [5] vom 14.10, deren Auswirkungen seit Anfang November langsam sichtbar werden.

Die Sichtbarkeit der Lockdown-Light Auswirkungen in den Zahlen kann innerhalb der nächsten ein bis drei Tage erwartet werden. Besonders hilfreich sind hier die Zahl der Neuerkrankungen eines Tages, verglichen mit dem Wochentag der Vorwoche [siehe unten]. Schon im März wurde in dieser Zahlenreihe die Wirksamkeit exakt nach 14 Tagen deutlich sichtbar. Eine Frage ist hierbei noch, wie gut die Situation im März, mit der vom November vergleichbar ist und ob wir tatsächlich ein ähnliches Verhalten der Zahlen erwarten dürfen. Dazu demnächst mehr auf dieser Seite.

Erläuterung zu den Graphiken

Im März konnten wir beobachten, wie zwei Wochen nach dem Lockdown der Erfolg der Maßnahmen in dieser Graphik sichtbar wurde:

Die Graphik zeigt für den jeweiligen Tag, die Differenz der Fallzahlen zum selben Tag der vorherigen Woche. Genau vierzehn Tage nach Inkrafttreten des ersten Lockdowns, vielen die Zahlen praktisch dauerhaft ins Negative [4]. Was bedeutet, dass sich von Woche zu Woche immer weniger Menschen mit dem Corona-Virus infizierten.

Die Frag ist nun, können wir für den November Lockdown dasselbe erwarten? Dazu veröffentlichen wir täglich auf dieser Seite diese Datenreihe, von der wir erwarten dürfen, dass die Zahlen zur Mitte des Monats sich ebenfalls ins negative kehren, falls die Maßnahmen Wirkung zeigen.

Schon jetzt sehen wir nach dem ersten November weniger hohe Zahlen, was darauf zurückzuführen sein könnte, dass schon Mitte Oktober (genauer am 14.10.) die Maßnahmen der sogenannten Hotspot Strategie [5] verschärft wurden.

Die Ttante im Abo

Mit diesem Abo bekommst du manchmal Nachrichten vom Dilettanten in deine Mailbox. Darin sind links zu neuen Artikeln und sonst nichts.

1 Factfulness, Hans Rosling, Ullstein 2018. Absolut lesenswert, nicht nur wenn es darum geht, die Welt etwas realistischer zu sehen, sondern auch, wie man Zahlen besser verstehen kann. Nicht vergessen: Besser nicht bei Amazon kaufen, sondern im Buchladen bei Dir um die Ecke.

2 „Virenschutz statt Datenschutz?“ von Von Marc Brost und Xifan Yang in DIE ZEIT Nr. 47/2020, 12. November 2020  […] (Leider nur für Abonnenten sichtbar)

3 Der Artikel nimmt Bezug auf die Daten der ZEIT, die leicht von denen des RKI abweichen, da DIE ZEIT für ihre Statistiken eine eigene Datenerhebung betreibt. […]

4 Mehr dazu im Artikel: Wie wirksam war der deutsche Lockdown in März?

5 Beschlüsse des Bundes und der Länder vom 14.10.2020

6 RKI meldet mehr Neuinfektionen als vor einer Woche ZEIT ONLINE

7 Im Update 18/11 war der Höchststand der Todeszahlen noch am 15. April erreicht. Doch ZEIT ONLINE hat die Zahlen für den 17. November inzwischen auf 345 korrigiert.

8 Am 16. November waren es tatsächlich optimistisch stimmende -2039 Fälle im Vergleich zur Vorwoche. Aktuell scheint der Optimismus verfrüht gewesen zu sein.